zur CD "Inanna": Zitat
aus: "Die tanzende
Göttin" Heide Göttner
–Abendroth „In dem
musikalischen Zyklus „Inanna“ geht die Österreicherin Karin
Hackl, hier zugleich Komponistin und Sängerin, noch einen Schritt
weiter: Nun erscheinen nicht nur die Priesterinnen der Göttin mit ihren
segnenden, beschwörenden Handlungen in den neuen Klangbildern, sondern
die Göttin selbst. Mit ihrer 1997 gegründeten Musikgruppe „Visions
of Kaya“ inszeniert Karin Hackl die großartige Mythe von Inannas
Abstieg in die Unterwelt, die im dritten Jahrtausend v.u.Z. in
Mesopotamien auf Tontafeln aufgezeichnet wurde. Inanna,
deren Kult in den sumerischen Städten Uruk und Akkad blühte, ist eine
uralte dreifaltige Göttin des Himmels, der Erde und der Unterwelt,
deren Verehrung bis weit vor die Zeit zurückreicht, als ihre Hymnen
aufgezeichnet wurden. Sie ist die älteste und größte Göttin des
Orients und die Vorgängerin aller späteren Göttinen dieser reichen
Kulturregion. Karin
Hackl gestaltet das Wesen der Göttin, das in ihrer Mythe erhalten
geblieben ist, ohne Worte allein mit ihrer ausdrucksvollen,
variationsreichen Stimme – es ist reinster sakraler Gesang. Begleitet wird sie dabei, außer der Harfe, von nicht
klassischen Instrumenten aus westlicher und östlicher Folklore Musik.
(z.b. orientalischen und indischen Trommeln, Gongs u.a., Anm. Karin
Hackl) Der
Gesangszyklus beginnt mit der sehnsuchtsvollen Anrufung der Göttin „Inanna“
, schon hier ist die Atmosphäre so sicht, daß sie in eine andere Zeit,
eine andere Kultur entführt. Das zweite Stück „Vollmond“
wird von Gesang und orientalischen Trommeln begleitet, denn der Alte
Orient ist der Raum der Kultur Inannas. Spuren
der Feier der weiblichen Sinnlichkeit haben sich im arabischen
Frauengesang erhalten, sie verweisen zurück auf die ehemals verehrte
und gepriesene Sinnlichkeit der Göttin. Das Symbol dafür ist der
Vollmond, der Inanna zuglich als die Göttin des Himmels zeigt. Nachdem
Inannas Erotik und Macht als Göttin zweier Regionen auf diese Weise hörbar
geworden sind, beginnt ihr Abstieg in die Unterwelt mit dem „Lockruf“,
der schwebenden Stimme aus dem Großen Unten, jener dritten Region,
welche die Göttin noch nicht kennt. Nun steigt die Göttin in denn
geheimnisvollen Abgrund hinab, und genauso steigt in „Abstieg“ der
Gesang langsam in die Tiefe. Selbst
wenn Inannas Stimme, in der Höhe gleitend, ihre Lichtqualität noch zu
wahren versucht, zieht sie der absteigende Klang der Instrumente
hinunter. Das geschieht zu jener Jahreszeit, wenn die grüne
Fruchtbarkeit des Landes von Sumer in der Gluthitze des Sommers
verdorrt, das ist im heißen Orient die Todeszeit. Denn Inanna verkörpert
auch das Land. „In
der Unterwelt“ tönen
dumpfer Donner, zischende Geräusche, trockenes Rasseln, erst regellos,
dann in harten Rhythmen, die in einen gespenstischen Tanz münden. Er
bereitet das Erscheinen der sumerischen Unterweltsgöttin Ereschkigal
vor und spiegelt deren Welt. In „Ereschkigal“ hören wir sie
dann selbst, im gellenden Vogelkrächzen, mit dunkler Stimme, mit der
sie sich bei ihrem schweren, chthonischen Tanz des Todes begleitet. Ihre
Macht liegt im Gesang, in den monoton wiederkehrenden, die Töne
verzerrenden Heia-und Hoho-Rufen, den unerbittlichen Rufen des Todes. Nun erlischt Inannas Licht, ihr Gesang verstummt. Die drei folgenden Stücke sind Soli für je ein Instrument. Der „Dunkelmond“ tötnt als dumpfer Gong, es herrscht lichtlose Schwärze. „Der
Tod“ ist
vernehmbar als zarte, irisierende Klangschalen, konzentrierte Töne aus
einer anderen Sphäre. Die Göttin selbst taucht damit ein in das
Mysterium des Todes, wie ihr Gestirn, der Mond. Danach eilen die
helfenden Spirits herbei, jene winzigen Wesen, die noch durch die
Schlüssellöcher der Tore der Unterwelt schlüpfen können. In hohen,
ungeregelten Harfentönen ist ihr tastender, suchender Flug zu hören,
bis sie die tote Göttin finden, um ihr das Wasser des Lebens zu
bringen. In „Lebenswasser“
rauscht hörbar der Regen nieder, der das staubtrockene Land Sumer und
damit die Göttin Inanna zu neuem Leben erweckt; in der Mythe gießen es
die schlauen Spirits über den Leichnam aus. Die Göttin erwacht und
erhebt ihre Stimme, hell und fließend, wie das Lied einer Wasserfrau im
Regen. Ihr Licht
bricht in heiteren Rhythmen und hellen Klängen durch, und ihr melodiös
darüber schwebender Gesang drückt gelassene Freude und tiefe
Lebenslust aus. Durch die Verwandlung, die sie in der Unterwelt an sich
selbst erfuhr, hat sie nun auch die Macht und Weisheit dieser Region
ergriffen und ist die unvergängliche Göttin aller drei Regionen
geworden. In tief
empfundener Identifikation mit der Großen Göttin bringt Karin Hackl
allein durch das Medium Stimme und Klang Inanna und ihren Mysterien-Weg
wieder zur Erscheinung. Diese Musik ist alles andere als irgendeine
„Vertonung“, sie ist sakraler Gesang im vollen Wortsinn.
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